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DER PRESSBENGEL

GESPRÄCHSBÜCHLEIN ZWISCHEN
DEM ÄSTHETISCHEN BÜCHERFREUND
UND SEINEM IN ALLEN SÄTTELN
GERECHTEN BUCHBINDER
VON
ERNST COLLIN

BERLIN 1922
EUPHORION VERLAG


DEM ANDENKEN MEINES VATERS


MONTAG: GESPRÄCH VOM BUCHBINDEN.

BÜCHERFREUND (in der Werkstatt des Buchbinders herumschnüffelnd): Was haben Sie denn hier für ein sonderbares Werkzeug, Meister? Das sieht ja fast gefährlich und doch putzig aus.

MEISTER: Das, mein Herr, ist ein harmloses, aber wichtiges Ding. Wir nennen es den Pressbengel. Mit ihm kann ich meine Handpresse, in die ich das Buch während der Arbeit zu den verschiedensten Zwecken setzen muß, so fest zudrehen, wie ich will. Dadurch daß das in die Handpresse mit dem Pressbengel gezwängte Buch nicht mehr eine Vereinigung von vielen Blättern, sondern ein Stück aus einem Guss zu sein scheint, kommt mir der Pressbengel immer wie ein Symbol meiner Arbeit vor. Ja, er vervielfacht die Kräfte meiner Hände und mahnt mich so daran, daß die gute alte Handarbeit doch noch immer das Beste ist. Wenn auch freilich das Wort vom goldenen Boden des Handwerks heute nicht mehr so als bare Münze zu nehmen ist.

BÜCHERFREUND: Da haben Sie ganz recht, Meister, als Bücherfreund weiß ich den Wert eines schönen handgebundenen Buches zu schätzen. Mir kommt der Genuß des Lesens nicht bei einem hässlichen, schlecht gebundenen Buch, das mir beim Blättern fast schon unter den Händen auseinanderfällt. Wie ganz anders ist es aber, wenn ich ein unverwüstliches Buch in den Händen habe, dessen Einband mich in die Zeit des Buches und in die Stimmung versetzt, die ich beim Lesen brauche. Wenn ich Sie nun frage, lieber Meister, ob Sie mir nicht einiges von Ihrer Arbeit erzählen wollen, so bitte ich Sie, nicht zu denken, daß mich bloße Neugierde treibt, oder daß ich Ihnen etwas abgucken will.

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Ich glaube, ich werde Ihnen ein besserer Kunde sein, wenn ich etwas von Ihrer Arbeit verstehe, deren Schwierigkeit beurteilen kann. Meine Meinung ist: wer Bücher sammelt, ohne etwas von ihnen zu verstehen, der treibt nur kindischen Sport. Wer aber nicht nur Verständnis für die geistige Arbeit besitzt, sondern auch weiß, wie ein Buch vom Papier bis zum Titel entstanden ist, dem muß das Büchersammeln zur Herzensangelegenheit werden. Also wollen Sie mich in kurzen Plauderstunden in das Geheimnis Ihrer Kunst einführen?

MEISTER: Ich bin gern bereit dazu, mein Herr, aber Sie können nicht von mir verlangen, daß ich Ihnen gewissermaßen im Galopp das beibringe, wozu ein anderer nicht nur die drei, vier Jahre Lehrzeit, sondern vieljährige Arbeit und Erfahrung nötig hat, bis er es zu einem tüchtigen Buchbinder gebracht hat. Auch ein Buchbindermeister ist noch nie vom Himmel gefallen. Wir wollen's so machen: Ich zähle Ihnen erst die wichtigsten Einbandarten auf und sage Ihnen von der Technik nur soviel, daß Sie sich den Werdegang eines Bucheinbandes vorstellen können. Und über das, was Sie bei Ihren Einbänden besonders interessiert, sprechen wir dann, wenn Sie mir die Bücher bringen.

BÜCHERFREUND: Damit bin ich einverstanden. Jetzt, Meister, haben Sie das Wort!

MEISTER: Also da ist zunächst der Pappband, dessen Einbandmaterial aus Papier besteht, einfarbigem oder auch buntgemustertem. Über den sprechen wir später noch, denn er ist der hübscheste einfache Bucheinband, und Sie werden mir sicher manchen Pappband bestellen. Dann

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haben wir den Halbleinenband, bei dem der Rücken des Buchdeckels und die anschließenden hinteren Teile der Deckel sowie die Deckelecken aus farbiger Buchbinder- Leinwand, auch Kaliko genannt, bestehen. Kaliko hat seinen Namen von der indischen Stadt Kalikat, von wo er nach Europa kam. Es ist ein leinwandartig gewebter Baumwollstoff, und ich muß sagen, daß man es seit einigen Jahren versteht, sehr hübsche Webungen und Farben zu erzielen. Das nennt man dann Kunstleinen. Die von Kaliko nicht bedeckten Stellen des Deckels werden beim Halbleinenband mit einfarbigem oder buntem Papier bezogen. Jetzt kommt der Ganzleinenband, bei dem der ganze Deckel mit Kaliko überzogen ist. Das sind die einfachen Bucheinbände, wobei ich freilich betonen will, daß Halb- und Ganzleinenband nicht so sehr für den Bücherfreund in Betracht kommen, sondern mehr für sehr viel gebrauchte Bücher in öffentlichen Bibliotheken.

Und nun kommen wir zu dem ersten sogenannten besseren Einband, dem Halbfranzband. Was beim Halbleinenband Kaliko ist, ist hier Leder. Und ein besserer Einband ist er deshalb, weil für ihn das edelste Einbandmaterial, Leder, verwendet ist. Und weil auch die ganze Technik eine mühsame ist.

BÜCHERFREUND: Ich verstehe vollkommen.Wenn Leder als das schönste und beste Einbandmaterial verarbeitet wird, dann hat der Buchbinder die Verpflichtung, auch die ganze Einbandherstellung auf diesen seinen edelstenWerkstoff einzustellen. Noblesse oblige! Vornehmheit verpflichtet!

MEISTER: So ist es. Und schließlich haben wir die beste Einbandart, den Ganzlederband. Der ganze Deckel besteht

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hier aus Leder. Das sind die hauptsächlichsten Einbandarten. Dann haben wir noch den Halb- und Ganzpergamentband. Schließlich kann man Bücher ja auch in alle möglichen Stoffe, wie Seide und Samt, kleiden. Aber das kommt für Sie als Bibliophilen wohl kaum in Frage.

Das Binden des Buches zerfällt, wie Sie sich denken können, in eine große Reihe einzelner Handgriffe, die aber in Wirklichkeit einander ergänzen. Und wenn wir am Schlusse sind, werden Sie erkennen, daß von dem Augenblick, wo der Buchbinder das Buch in die Hand bekommt, bis zum Aufdrucken des Rückentitels das Buch — ja, wie soll ich sagen — organisch aufgebaut wird. Denn wenn man auch nur einen einzigen Heftstich vernachlässigt, dann rächt sich das am Ganzen.

Besondere Sorgfalt ist natürlich auf die Vorbereitungen für das Heften zu legen. Mit allem will ich Sie nicht langweilen. Ich will Ihnen nur sagen, daß wir das Buch, das wir meist maschinell geheftet und mit einem Umschlag in die Hand bekommen, erst ausreißen müssen. Wir müssen die einzelnen Bogen voneinandertrennen, den Heftfaden oder, Gott sei's geklagt, die scheußliche, unsolide Drahtheftung aus ihnen entfernen, den Leim vom Rücken der Bogen abkratzen. Müssen dann die Bogen in die Presse setzen oder manchmal auchwalzen, um schon so die Festigkeit des ganzen Buchkörpers vorzubereiten. Vorher war noch das Prüfen der Bogen, ob sie gerade gefalzt sind, und das eventuelle Nachfalzen. Auch müssen wir das Buch kollationieren, d. h. nachsehen, ob alle Bogen vorhanden sind und alle dazugehörigen Bildbeilagen. Und die Bilder müssen meist zurechtgeschnitten, neu eingeklebt oder mit

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einem dünnen Papier- oder Schirtingstreifen in oder um die Bogen geklebt werden.

Haben die eingepreßten Bogen genügend lange in der Stockpresse gestanden, – hier in dieser, die mit einerEisenstange zugedreht und geöffnet wird – dann wird das Vorsatz gemacht. Vorsatz nennen wir das Doppelblatt, das vor den ersten und hinter den letzten Bogen des Buches kommt, und das aus einem weißen oder gelblichen Papier besteht, möglichst genau in der Farbe und Art des Textpapiers. Vorsatz kann man auf verschiedene Art machen, ich will Ihnen eine beschreiben. Auf das Doppelblatt, das genau so hoch und etwas breiter wie die Buchbogen sein muß, klebt man am Falzbruch einen etwa fünf Zentimeter breiten Streifen schmal mit Kleister auf, und wenn der Kleister trocken ist, bricht man an der aufgeklebten Stelle den Vorsatzfalz daran, so ungefähr, wie früher die Apotheker ihre Zettel an den Medizinflaschen mit einem schmal herum- gebrochenen Streifen eingefaßt haben. Jetzt wird das Buch mit dem Rücken der Bogen nach oben in die Handpresse gesetzt, und der Rücken wird zum Heften eingeteilt.

Man heftet auf Bindfaden, die man Bünde nennt. Die alten Buchbinder legten die Bindfaden beim Heften außen an das Buch, so daß diese Bünde beim fertigen Buch sich erhaben unter dem Leder abprägten. Heute heftet man nur noch selten auf echte Bünde; die Bindfaden sind unsichtbar, und wenn man beim Halbfranzband oder beim Ganzlederband erhabene Bünde haben will, dann macht man diese künstlich durch Pappstreifen.

BÜCHERFREUND: Meister, gestatten Sie einen Einwurf. Sind solche künstlichen Pappbünde nicht eine Täuschung

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des Bestellers und noch dazu eine Verballhornung der guten alten Handwerkskunst? Eine Imitation sind sie doch jedenfalls.

MEISTER: Darüber, mein Herr, lässt sich vieles für und wider sagen. Die gute alte Handwerkskunst, die ich gewiß liebe, wird heute nur noch in den seltensten Fällen bezahlt. Sie macht auch viel mehr Arbeit, und Arbeit kostet Geld. Wenn Sie aber bedenken, daß ihre Vereinfachung durchaus nicht auf Kosten der Haltbarkeit des Einbandes gehen muß, dann sehe ich nicht ein, warum man lediglich um des Prinzips willen auf die schöne Wirkung der erhöhten Bünde verzichten soll, nur weil sie nicht echt sind. Wenn's der Kunde wünscht, und wenn er die Arbeit entsprechend bezahlt, dann wird's natürlich ohne weiteres gemacht. Doch gehen wir weiter. Also ich muß mir den Rücken zum Heften einteilen. Meist heftet man auf fünf Bünde, und diese Heftbünde liegen bei Büchern mit erhabenen künstlichen Bünden genau unter deren Stelle. Bei kleineren und einfachen Büchern wird man meistens auf drei oder vier Bünde heften. Außer den Heftbünden gibt es noch den Fitzbund. Dieser liegt etwas entfernt vom Kopf und Schwanz des Rückens, so nennen wir dessen obersten und untersten Rand. In den Fitzbund wird der Heftfaden nur hineingestochen, und je zwei übereinanderliegende Bogen werden durch den Heftfaden fest miteinander verbunden, was man verfitzen nennt; daher der Name Fitzbund. Jetzt werden die Bogen zum Heften eingesägt.

BÜCHERFREUND: Was? Einsägen? Sie bearbeiten also das Papier mit der Säge? Ist das nicht Barbarei? Papier ist doch nicht Holz! Sie sind doch kein Tischler! Meister, mein

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bücherfreundliches Gewissen, bäumt sich dagegen auf.

MEISTER: Das ist nun auch wieder so eine Sache. Ich finde garnichts dabei; wenn nur die Rücken nicht allzutief eingesägt werden, und wenn man nicht, wie manche dies leider tun, die eingesägten Stellen mit der Feile nacharbeitet. Man kann das Einsägen umgehen, indem man den Heftbindfaden so breit aufdreht, daß er sich nicht unter dem Einband abzeichnet. Wenn Sie also wollen, dann hefte ich Ihre Bücher, falls Sie keine echten Bünde erhalten, auf aufgedrehten Bindfaden, was natürlich mehr kostet.

BÜCHERFREUND: Das will ich gern bezahlen. Wenn nur die Säge von meinen Büchern fortbleibt.

MEISTER: Geheftet wird das Buch auf der Heftlade, die wohl fast so alt ist wie das Buchbinderhandwerk. Hier sehen Sie sich meine Heftlade an: das Brett auf das die Bücher zum Heften gelegt werden; an seinen vorderen Enden die hohen Spindeln, darüber den Heftbalken mit dem Schlitz, durch den die Hefthaken gesteckt werden; an diese wird der Bindfaden geknüpft, der unterhalb des Brettes mit Nägeln festgemacht und dann gespannt wird. Das Heften ist eine sehr wichtige Arbeit. Man fängt mit dem letzten Bogen an. Beim Fitzbund des Rückenschwanzes mit Nadel und Faden in die Mitte des Bogens hinein, rechts vom ersten Bindfadenbund aus dem Bogen heraus, links vom Bund wieder hinein, dann rechts vom zweiten Bund heraus und so weiter bis zum Kopf-Fitzbund, und dann so fort in den zweiten und alle folgenden Bogen. Nach dem Heften wird das Buch von der Heftlade heruntergenommen und die Bindfäden werden so abgeschnitten, daß sie mehrere Zentimeter auf beiden Seiten des Buches stehen bleiben. Dann

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kommt das Außchaben der Bundenden; die beiden Vorsatzfälzchen, die jetzt innerhalb des Buches liegen, werden mit Kleister an ihre benachbarten Bogen geklebt. Auf das Vorsatz wird eine Lage Papier geklebt, der Rücken des Buches wird geleimt und mit dem Hammer rund geklopft.

BÜCHERFREUND: Muß das sein? Ich meine das Rundklopfen. Ich finde immer, daß so ein halbrunder Rücken der Schönheit des Buchkörpers Abbruch tut. Der gerade flache Rücken paßt in seinen Umrissen viel besser zu der rechtwinkligen kantigen Gestalt der Deckel. Ich möchte bei meinen Büchern nur flache Rücken haben.

MEISTER: Da werden Sie keine Freude dran haben. Aus Erfahrung weiß ich, daß beim Gebrauch eines Buches mit flachem Rücken dieser die Neigung hat, sich nach innen zu biegen, und daß dann einzelne Bogen, wie wir es nennen, vorschießen. Das sieht sehr häßlich aus. Wollen wir nicht ein Kompromiß schließen? Ich klopfe Ihnen den Buchrücken nur ganz, ganz wenig rund, so daß die Bogen nicht vorschießen, daß Sie aber auch keine Bücher mit halbrunden Rücken bekommen. Und ich glaube bestimmt, daß so ein leicht gewölbter Rücken nicht häßlich aussehen wird.

BÜCHERFREUND: Einverstanden. Ich freue mich, daß es uns gelingt, die Erfahrung des Fachmannes mit der idealen Forderung des Bücherfreundes eine Vernunftehe eingehen zu lassen.

MEISTER: Jetzt kommt das Abpressen an die Reihe, eine der wichtigsten Arbeiten, um dem Buchkörper die Festigkeit zu geben. Das muß ich Ihnen etwas näher beschreiben. Wieder setze ich das Buch in die Handpresse, und zwar erst zwischen zwei Bretter, sodaß der gerundete Rücken um

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wenige Millimeter hervorragt. Dann tritt wieder mein lieber Preßbengel in Tätigkeit, und nun wird der Rücken mit dem Hammer so bearbeitet, daß sich die Bogenrücken nach rechts und links auf die Brettkante herüberlegen. Dadurch entsteht an den beiden Rückenseiten eine Ausbuchtung : der tiefe Rückenfalz. Wir hatten, wie ich Ihnen erzählte, den Rücken nach dem Heften geleimt; der Leim wird jetzt durch Kleister aufgeweicht und mit dem Hammer und mit Papierspänen heruntergerieben und -gewischt. Nun muß das Buch am besten eine Nacht lang zum Trocknen in der Presse bleiben. Am andern Tage nehmen wir es heraus, um es zu beschneiden, um den farbigen oder mar- morierten oder goldenen Schnitt anzubringen und die Pappdeckel zuzuschneiden.

Jetzt haben wir den Buchblock im wesentlichen fertig hergerichtet, wir haben die Deckel, und es kommt nun in der Hauptsache darauf an, Deckel und Buch zu verbinden, um dann schließlich diesen gewissermaßen noch nackten Einband mit den schützenden und schmückenden Papieren oder Ledern zu versehen. Aber das alles erzähle ich Ihnen am besten, wenn Sie mir Ihre Bücher bringen. Denn das Fertigmachen des Einbandes richtet sich nach der gewünschten Einbandart.

BÜCHERFREUND: Haben Sie herzlichen Dank, Meister. Ich will Ihnen auch künftig ein aufmerksamer Lehrling sein. Auf Wiedersehen.

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DIENSTAG: GESPRÄCH VOM BUNTPAPIER UND VOM LEDER

BÜCHERFREUND: Guten Morgen, Meister! Ich habe die ganze Nacht vom Preßbengel geträumt. Ich sah ihn als kleinen Buchbinderlehrling, der auf einem Stoß Bücher hockte und mich auslachte, weil ich mir einbildete, schon ein richtiger Buchbinder zu sein. Nun hatte ich mir eigentlich vorgenommen, Ihnen schon heute meine Bücher zum Binden zu bringen. Aber es ist wohl besser, wir werden uns erst gemeinsam darüber klar, wie Sie meine Bücher ausstatten wollen. Was würden Sie mir da raten Meister?

MEISTER: Ein ständiges Material wird natürlich für uns das Buntpapier sein, wie wir es als Papier des Pappbandes, als Bezug- und Vorsatzpapier des Hal bleinen- und desHalbfranzbandes und als Vorsatz des Ganzleinen- und des Ganzlederbandes verwenden. Viele werden für Ihre Bücher in Betracht kommen, und ich glaube sicher, Sie werden sich in manche verlieben. Von allen kann ich Ihnen natürlich nicht erzählen, denn moderne Buntpapiere schießen heute wie Pilze aus der Erde. Nach Dutzenden zählen die Werkstätten, in denen sie hergestellt werden. Fabriken werden ihretwegen gegründet, und Künstler und Kunstgewerbler beiderlei Geschlechts bringen ihre Farbenphantasien auf das Papierkleid des Buches.

Unsere alten Buntpapiere, hauptsächlich die Marmorpapiere, sind heute ziemlich aus der Mode gekommen. Da Sie ein moderner Bücherfreund sind, werden Sie sagen: mit Recht. Aber ich glaube, es interessiert Sie trotzdem, wenn ich Ihnen erzähle, wie Marmorpapier gemacht wird. Zum Marmorieren braucht man eine viereckige Wanne

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aus starkem Zinkblech. In diese kommt der Marmoriergrund hinein, der aus einer schleimigen Masse bestehen muß. Am besten macht man diese Masse aus gekochtem Carragaheen-Moos, auch irländisches Moos genannt. Es ist eine an den Küsten Irlands vorkommende blaßgelbe oder grauweiße Alge. Die Marmorierfarben werden auf diese Masse mit Reisstrohpinsel oder mit kleinen Reisstrohbesen entweder aufgetragen oder aufgesprengt. In den Farben müssen sogenannte Treibmittel enthalten sein, die sie auseinandertreiben, um sie über den Grund zu verteilen. Man nimmt dazu mit Spiritus vermischte Ochsengalle und Sprengwasser, das aus einer Mischung von venezianischer Seife und Spiritus besteht.

Es gibt nun eine große Anzahl von Marmorierarten; unter Marmor verstehn wir Buchbinder nicht nur Nachbildungen des natürlichen Marmors, sondern alles Mögliche, – phantastische Farbenspiele. Ich will mich darauf beschränken, Ihnen vom Kammarmor zu berichten. Durch die auf den Marmoriergrund gebrachte Farbe wird zuerst mit wellenförmiger Bewegung ein Stift geführt, sodaß die Farben sich wellenförmig mischen. Dann wird der Kamm durch sie hindurchgezogen. Ein solcherMarmorierkamm besteht aus einem Papp- oder Holzstreifen, auf den in gewissen Abständen Nadeln gesteckt sind. Man hat auf manchen Kämmen auch zwei Nadelreihen, von denen eine verschiebbar ist und während des Ziehens durch die Farbe hin und her bewegt wird. Auf diese Weise bekommt die Farbe das Kammuster. Und dann wird der Bogen auf sie heraufgelegt, und wenn er wieder abgenommen ist, hat man das Muster nicht mehr auf dem Marmoriergrund,

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sondern auf dem Papier. Ganz ähnlich marmoriert man auch den Buchschnitt, indem man ihn zwischen zwei Brettern haltend, in den Marmoriergrund eintaucht. Meist ist es so, daß Überzug- und Vorsatzpapier genau den gleichen Marmor enthalten wie der Schnitt.

Bei den neuen Marmorpapieren hält man sich nicht mehr an die alten Muster, sondern legt den Hauptwert auf die geschmackvolle phantastische Zusammenstimmung der Farben, um das sich bildende Muster mehr dem Zufall zu überlassen. In vielen Fällen ist aus dem in den Marmorgrund getunkten Papier, dem Marmor -Tunkpapier, ein Außpritz-Papier geworden. Man befeuchtet den weißen Papierbogen mitWasser,spritzt dann alle möglichen Farben darauf und läßt sie in einander fließen. Dann gibt es noch die Außpritz- und Knitterpapiere, bei denen der gefärbte Bogen geknittert wird. Hier mischen sich die Farben auf eigentümliche Weise, sodaß seltsame Gebilde entstehn.

BÜCHERFREUND: Ich kenne solche Papiere. Sie kommen mir immer vor wie ein wolkenverzierter Himmel. Ich kann sie stundenlang betrachten und immer wieder glaube ich, daß die Farbenfiguren sich bewegen, sich verändern.

MEISTER: Es gibt weiter Rieselpapiere. Die entstehen durch Außpritzen verschiedener Farben, wobei der Papierbogen schräg gehalten wird. So laufen die Farben nach unten und rieseln durcheinander.

Die große Mode sind heute solche Papiere, die auf der sogenannten Batiktechnik beruhen. Ich habe mir sagen lassen, daß wir diese Technik von den Javanern gelernt haben. Bei Batikpapieren wird das Muster mit Wachs maschinell oder durch Handstempel aufgedruckt. Das Wachs isoliert

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die betreffenden Stellen, und das Muster entsteht, indem beim Färben des Papiers die mit Wachs abgedeckten Stellen keine Farbe annehmen. Vor dem Färben ist aber der Papierbogen zerknittert. Dadurch sind Sprünge in das Wachs gekommen, die die Farbe später hindurchlassen. Auf diese Weise zeigt das fertige Papier ein feines, über den ganzen Bogen verteiltes Geäder. Das Muster tritt also niemals scharf hervor, sondern scheint mit dem Hintergrund zu verschwimmen.

Aber auch das Alte ist neubelebt worden. Eines unserer ältesten Buntpapiere ist das Kleisterpapier. Hier wird auf dem Papierbogen eine aus Wasser, Kleister und pulverisierter Erdfarbe gemischte Farbschicht aufgetragen. In sie hinein kann man spielend leicht alle nur möglichen Muster und Figuren hineinbringen. Man kann bandförmige Muster mit einem oder auch mit zwei Fingern in die Farbschicht wischen, kann mit einem Stück Kork runde Flecke hineindrücken, mit einem Stückchen Holz Kreise und Linien ziehen. Das Kleisterpapier ist natürlich auch reformiert worden. Man druckt das Muster mit Handstempeln aus Linoleum hinein oder malt es mit dem Pinsel. Schließlich – meine Aufzählung ist noch lange nicht erschöpft – gibt es neuerdings sogar – – expressionistische Buntpapiere. Die sind was ganz Wildes, aber (ein wenig ironisch lächelnd) deshalb werden sie Ihnen vielleicht gerade für Ihre Pappbände gefallen.

BÜCHERFREUND (ebenfalls lächelnd): Daran haben Sie Ihren Pappbandheimer erkannt. Geben Sie mir von all den Papieren, von denen Sie mir erzählt haben, ein paar Muster mit nach Haus, damit ich mir in Ruhe die Bücher aussuchen

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kann, die dazu passen. Denn ich finde, daß in diesen Buntpapieren Stimmungen, Gefühle liegen, die so unerschöpflich sind, daß man immer eines darunter findet als die einzig passende Hülle für irgendein Buch. Zuhause also will ich mir alles in Ruhe ansehen. Ich werde manche Stunde dazu gebrauchen, denn meine Leidenschaft für das Buch gilt auch dem Einband. Und es gehört zu meinen genußreichsten Stunden, wenn ich über die Einbände meiner Lieblingsbücher nachdenken kann. Sie werden aber an mir nicht nur den „billigen" Bücherfreund haben. Soweit mein Etat es erlaubt, will ich Ihnen auch Bücher geben, die Sie in Ihr geliebtes Leder kleiden sollen. Zuvor aber weihen Sie mich in das Mysterium des Leders ein.

MEISTER: Das ist wirklich ein Mysterium und, ganz nüchtern betrachtet, nicht immer ein erfreuliches. Denn die Lederfabrikanten haben mit ihren Benennungen der Ledersorten eine große Verwirrung angerichtet. Gerade wenn ein Ledername den örtlichen Ursprung des Felles bezeichnen soll, ist er beibehalten worden, auch wenn er gar nichts mehr damit zu tun hat. Eigentümlicherweise scheut man sich oft, das Leder mit dem Namen des Tieres zu belegen, von dem es stammt. Was wir z. B. als Saffian und als Maroquin – so ziemlich die gebräuchlichsten Buchbinderleder – kennen, ist nichts weiter als Ziegenleder. Beide sind afrikanischer Abstammung. Saffian hat seinen Namen von der Stadt Saffi in Marokko, und auch der Name Maroquin deutet auf die marokkanische Wiege dieses Leders. Unter Saffian versteht man ein kleinnarbiges, unter Maroquin ein grobnarbiges Ziegenleder. Ein grobnarbiges, schönes Ziegenleder ist auch Kap-Saffian. Diese Leder aber

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kommen nicht fertig aus Afrika, sondern nur in ihren rohen Fellen und werden in Europa verarbeitet. Früher konnte ein schönes Maroquin nur in England und Frankreich hergestellt werden, aber seit einer Reihe von Jahren verstehen wir Deutschen das auch. Die Franzosen haben sogar bei uns Maroquinleder machen lassen, und vielleicht haben wir das als echt französisches gekauft. Als ein einfaches Buchbinderleder kommt auch Bock-Saffian, ein ostindisches Ziegenleder, in Betracht. Was man unter Bastardleder kennt, ein für Bucheinbände nicht sehr empfehlenswertes Leder, ist die Haut einer Mischrasse von ostindischer Ziege und Schaf. Auch zu Schafleder rate ich Ihnen nicht, vor allem nicht zu dem dünngespaltenen. Ein Einband daraus ist noch weniger haltbar als einer aus Papier.

BÜCHERFREUND: Sie sprachen vorhin von der Verwirrung unter den Ledernamen. Dazu kann ich Ihnen auch ein bezeichnendes Beispiel erzählen. Zeigte doch neulich ein Buchhändler einen Einband aus „Chagrinleder" an. Der gute Mann hatte sicher keine Ahnung, daß Chagrin den Ledernarben bedeutet, also über die Lederart nichts besagt.

MEISTER: Ja, das zeigt so recht den Kuddelmuddel der Ledernamen. Allerdings versteht man unter einem Ecrase Leder nicht ein glattgepreßtes überhaupt, sondern glatt gepreßtes Maroquin. Schöner ist es, wie dies in Frankreich und England heute noch ausschließlich geschieht, dass man das Leder nicht maschinell herunterpreßt, sondern es am fertigen Einband poliert, mit einem heißen Stahlkolben glättet. Ein sehr schönes Einbandleder ist Schweinsleder, erkennbar an der sich über das ganze Leder erstreckenden feinen Punktierung, die von den Stellen stammt, an denen

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früher die Borsten des Schweins gesessen haben. Sogenanntes naturelles Schweinsleder von gelblicher Tönung wird im Laufe der Jahre nach und nach braun. Dadurch bekommen solche Bände ein antikes Aussehen, besonders wenn sie mit Blinddruck versehen sind, von dem ich Ihnen später noch erzähle. Viel verarbeitet wird heute noch weißes Schweinsleder.

Kalbleder, das von Natur glatt ist, kommt ebenfalls für Bucheinbände in Betracht, wenn es auch sehr empfindlich ist. Rindleder, das sehr derb ist, wird meist nur für große dicke Bücher, die viel gebraucht werden, verarbeitet. Es gibt dann noch eine Uninasse Leder, so die sammetartigen Wildleder oder sammetartig gemachten Rind-, Kalb- und Schafleder. Das sehr teure, grobnarbige Seehundleder hat sich als wenig haltbar herausgestellt. Wenn man will, und es ist auch geschehen, kann man die Haut der Rieseneidechse, des Riesenfrosches, derAffen, der Schlangen und Fische zu Leder verarbeiten und zu Einbänden verwenden. Und daß es auch Bücher aus Menschenleder gibt, davon haben Sie gewiß schon gehört.

BÜCHERFREUND: Wie sieht denn Menschenleder aus?

MEISTER: Ähnlich wie das Schweinsleder. Es hat einen so gräulichen Ton. Was schließlich Pergament betrifft, so verarbeiten wir meistens - im Gegensatz zu früher, wo man Schweinspergament benutzte, – die Haut des Schafs oder des Kalbs dazu. Wie Schafleder an Haltbarkeit hinter anderen Ledersorten zurücksteht, so ist Schafpergament weniger dauerhaft als Kalbpergament, das selbstverständlich wesentlich teurer ist.

BÜCHERFREUND: Aus welcher Haut fertigt man die

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schönen gelblich getönten braun gefleckten Pergamente, die ein antikes Aussehen haben?

MEISTER: Das kann Schaf- wie Kalbpergament sein. Pergament wird gewonnen, wie Sie wissen werden, aus der ungegerbten Tierhaut, welche durch Kalken und Schaben enthaart, gereinigt und von ihrer Fleisch- und Unterhaut befreit wird. Dabei bleibt zunächst die natürliche fleckige Musterung der Tierhaut bestehen, und solche Pergamentfelle kommen als Antik-Pergament in den Handel. Will man weißes Pergament erzielen, dann wird die Haut in einen Rahmen gespannt, nochmals mit Bimsstein geschabt und schließlich mit Kreidepulver eingerieben. Leder und Pergament geben nicht nur ihrer Haltbarkeit und eigenen Schönheit wegen die besten Einbandhüllen ab, sondern auch deshalb, weil auf ihnen die eigentliche Verzierungstechnik des Bucheinbandes, die Handvergoldung am besten zur Geltung kommt. Von ihr müssen wir uns noch einmal besonders unterhalten.

BÜCHERFREUND: Lassen wir's für heute genug sein! Und morgen bringe ich Ihnen meine Bücher zum Binden.

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MITTWOCH: GESPRÄCH VOM PAPPBAND.

BÜCHERFREUND (kommt mit Büchern unter beiden Armen): Meister, hier bringe ich einige meiner Bücher. Besonders am Herzen liegt mir eines, die Gedichte eines unserer Jüngsten. Es ist ein ungewöhnliches, himmelstürmendes Buch, in dem aber auch zarte schwermütige Töne angeschlagen werden. Ich habe mir nun dafür unter Ihren Buntpapieren eines ausgesucht, dessen Untergrund ein wunderbar feines Farbenspiel ist, dessen Muster aber seltsam aufgeregt und bewegt ist.

MEISTER: Aber Sie haben ja das Buch schon gelesen!

BÜCHERFREUND: Darf ich das denn nicht? Was hat mein Lesen mit dem Einbinden zu tun?

MEISTER: Sie mußten das Buch dazu außchneiden, und dadurch macht es mir mehr Mühe beim Einbinden. Auch kann ich Bogen, die vielleicht nicht gut gefalzt sind, jetzt nicht mehr im Ganzen nachfalzen.

BÜCHERFREUND: Ich danke Ihnen für die Lehre und will mir merken, daß ein echter Bücherfreund seine Bücher erst liest, wenn sie gebunden sind. Bevor wir aber vom Einband sprechen, noch eins: Der Dichter hat mir eine eigenhändige Widmung in dies Exemplar geschrieben und zwar so, daß seine Schrift bis dicht an den vordersten Rand des Blattes geht. Wenn Sie nun das Buch beschneiden, dann schneiden Sie mir ja kein Stück von der Widmung ab.

MEISTER: Da weiß ich mir Rat. Wie Sie sehen, steht die Widmung nur im rechten Teil des Blattes, der linke, der vom Bogenrücken ausgeht, ist aber freigeblieben. Davon schneide ich einen Streifen so weit ab, daß das Blatt

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beim Beschneiden nicht aufgetroffen wird. Das machen wir immer, auch bei Bildern, die größer sind als der Satzspiegel. Geht die Widmung aber über die ganze Breite des Blattes, dann kann man sich nicht anders helfen, als daß man es vorn ein wenig umlegt. Sie wollen also einen Pappband für dies Buch haben?

BÜCHERFREUND: Es muß aber ein solider Einband sein. Ich habe mir früher Bücher in Pappband gekauft, mit denen ich keine guten Erfahrungen gemacht habe.

MEISTER: Dann kann es sich nur um Maschineneinbände gehandelt haben. Sie werden ja von einem Handwerksmeister voraussetzen, daß er für Maschinenarbeit nicht viel übrig hat. Aber ich bin mir wohl der Bedeutung des Maschineneinbandes bewußt, der allein die große Masse der Leser instandsetzt, gebundene Bücher zu kaufen.Trotzdem ist es kein Konkurrenzneid, wenn ich sage, daß ein mit der Maschine hergestellter Einband niemals die Güte eines erreichen wird, den die Arbeit der Hand schuf. Ganz abgesehen davon, daß oft das Falzen der Bogen und immer die Heftung derMaschineneinbände maschinell ausgeführt ist, besteht der wesentliche Unterschied zwischen Maschinen- und Handeinband darin, daß bei dem ersteren Buchblock und Einbanddecke zwei völlig verschiedene Dinge sind; die fertige Decke wird in den fertigen Buchblock geklebt. Beim handgebundenen Buche sind aber beide gewissermassen miteinander verwachsen, die Verbindung ist eine innige. Denken Sie bitte daran, daß ich am Montag dabei stehen geblieben bin, wie nach dem Anbringen des Schnitts die Pappen zugeschnitten werden. Um jetzt die rohen Pappdeckel vollständig mit dem Buch

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zu verbinden, und um außerdem noch dem Einbandpapier eine genügend feste Unterlage zu geben, macht man zuerst den sogenannten gebrochenen Rücken, der aus dünner Pappe besteht, welche wir Schrenz nennen, oder auch aus Aktendeckel. Der gebrochene Rücken paßt sich in seiner Größe und in seinen Formen genau dem Rücken des Buches und der an diesem beim Abpressen entstandenen Fälze an. Er geht wenige Zentimeter bis auf beide Seiten des Buches und ist an seinen Längsrändern mit einem Messer dünner gemacht, damit er sich unter dem Papier nicht abzeichnet. Ist der gebrochene Rücken fertig, dann wird er an seinen beiden Längsseiten, den Flügelfälzen, mit Leim angeschmiert und über das Buch geschoben, sodaß seine Flügelfälze auf die des Vorsatzes kommen; auf jene hat man vorher die aufgeschabten Bindfadenenden mit Kleister geklebt. Durch Einpressen des Ganzen ist die Verbindung des Papprückens mit dem Buch hergestellt. Jetzt erst werden die Pappen, wie man sagt, angesetzt, d. h. sie werden auf die Flügelfälze geklebt, wobei sie ein wenig vom Rücken abgerückt werden müssen, damit sie sich gut außchlagen. So ist die Einheit zwischen Buchblock und Umhüllung hergestellt, und nun kann man das Papier um das Ganze tun.

BÜCHERFREUND: Ich sehe hier einen Pappband, bei dem der Rücken an Kopf und Schwanz — Sie sehen, Meister, ich bin ein gelehriger Schüler — schmale weiße Pergamentstreifen aufweist. Ich finde es sehr hübsch und kann mir vorstellen, daß es bei vielen Pappbänden, namentlich bei einfarbigen, den Einband belebt.

MEISTER: Wir nennen das Pergamentkapital. Kapital

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nennen wir die Begrenzungen des Rückens oberhalb des Buchblocks, während Kopf und Schwanz die oberen und unteren Teile des Einbandrückens sind. Dieses Pergamentkapital, das um den gebrochenen Rücken geklebt ist, bildet außerdem noch einen guten Schutz. Und ebenso kann man an den Deckelecken kleine Pergamentecken anmachen, die unsichtbar sein können, oder fast nur soviel wie ein Stecknadelknopf zu sehen sind.

BÜCHERFREUND: Ich werde Ihnen jedesmal angeben, wann ich Pergamentkapital haben will. Und Pergamentecken auf jeden Fall, aber ob sichtbar oder unsichtbar, sage ich Ihnen auch stets. Jetzt wollen wir überlegen, was für einen Schnitt wir an diesem Buch anbringen.

MEISTER: Natürlich einen der Hauptfarbe des Buntpapiers entsprechenden.

BÜCHERFREUND: Diesmal bin ich auch dafür. Aber meine Meinung ist, daß man sich nicht immer sklavisch an die Farben des Außenpapiers halten muß. Man kann doch auch die farbige Stimmung des Einbandes vom Charakter des Buches abhängig machen! Ich habe einen Freund, der besitzt z. B. einen Pappband aus gelben und roten Farben, und Schnitt, Vorsatz und Schild sind schwarz. Es handelt sich um ein Strindbergbuch. Der Einband soll das aufgewühlte und zugleich traurige Wesen des Dichters zum Ausdruck bringen.. Dann besitzt er eine alte Schillerausgabe, die er dunkelblau hat binden lassen. Und Schild und Schnitt sind, um den alten Charakter der Buchausgabe auszudrücken, quittengelb. Das Vorsatz dieses Buches aber ist grau, auf das Textpapier abgestimmt. Nun bin ich ja derMeinung, daß die Schnitt- und Vorsatzfarbe

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eigentlich ein und dieselbe sein müßten. Dadurch sehen sie gewissermaßen aus wie eine zweite einheitliche Hülle unter den Deckeln. Aber man sollte sich hieran nicht binden, und ich werde bei meinen Pappbänden, weil es einfache Einbände sind, oft ein weißes, gelbliches oder graues Papier wünschen, je nachdem es das Textpapier erfordert. Haben Sie auch solche Papiere?

MEISTER: Gewiß, damit kann ich Ihnen dienen. Ich halte mir immer sechs verschiedene Sorten von Vorsatzpapieren auf Lager, und zwar gelblich- und bläulichweiß glattes, sogenanntes Kanzlei- oder Lexikonvorsatz, dann gelbliches oder weißes Maschinenbütten und schließlich echtes Bütten in diesen Tönungen. Diese sechs Sorten genügen fast immer. Bekomme ich mal ein altes Buch, das schon so vergilbt ist, daß es kein passendes Vorsatzpapier dazu gibt, dann muß ich mir das Vorsatz eben zurechtmachen. Kaffeewasser ist dazu ein ausgezeichnetes Mittel.

BÜCHERFREUND: Ich sehe, Meister, Sie sind in allen Sätteln gerecht. Ihnen kann man schon ein Buch anvertrauen. Nun bitte ich Sie nur noch, setzen Sie das Titelschild nicht zu weit entfernt vom „Kopf." Ich finde nämlich, ein zu tief auf den Buchrücken gesetztes Schild zerreißt diesen in zwei ungleiche Teile und nimmt ihm seine schlanke Gestalt. Und bei dicken Büchern macht ein hochgesetztes Schild sogar den Rücken zu einem schlanken. Und dann bitte ich noch um nicht zu große Schrift und immer um solche, die möglichst zur Buchschrift paßt. Also für ein Buch in Fraktur einen Frakturtitel, für eines in Antiqua einen Antiquatitel.Und am Rückenschwanz stets meine Initialen!

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DONNERSTAG: GESPRÄCH VOM HALBFRANZ.

BÜCHERFREUND: Heute, Meister, möchte ich mir dieses Exemplar des „Bachmann" binden lassen. Da es sich um ein Nachschlagewerk handelt, ist mir der Pappband nicht solide genug für diesen Zweck. Da mir aber einerseits Leinenbände wenig zusagen, mir andererseits ein Ganzlederband hierfür zu teuer ist, will ich den goldenen Mittelweg beschreiten und mir dies mein Buch in „Halbfranz" binden lassen. Aber sagen Sie um alles in der Welt, was hat der „halbe Franz" mit einem Buch zu tun, bei dem Leder verwendet ist?

MEISTER: Dasselbe,was Sie bestimmt, keinen Ganzlederband zu nehmen, weil er Ihnen zu kostspielig ist, war auch, wie man sagt, für König Franz I. von Frankreich der Grund, sich neben seinen kostbaren Ganzlederbänden solche herstellen zu lassen, bei denen nur ein Teil des Einbandes aus Leder besteht. Das ist eine Erklärung des Namens Halbfranzband. Ob sie stimmt, will ich nicht beschwören. Im allgemeinen sagt man, es wäre eine Abkürzung für halbfranzösischer Band.

BÜCHERFREUND: Beim Halbfranzband ist doch dieVerbindung von Einbanddecke und Buchblock inniger als beim Pappband?

MEISTER: Da haben Sie recht. Den Halbfranzband arbeiten wir anders. Die Heftbindfäden, die nach dem Heften an beiden Seiten das Buches um ein paar Zentimeter entfernt abgeschnitten sind, werden, wie ich Ihnen erzählte, aufgeschabt. Diese aufgeschabten Heftbünde werden beim Halbfranzband auf die Pappen geklebt. Darüber wird ein doppelter Makulaturstreifen geklebt, und dann kommt

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das Buch zwischen Zinkblechen und Brettern in die Handpresse. Der Rücken wird nun zweimal mit Packpapier überklebt. Jetzt muß das Buch wieder bis zum andern Tag in der Presse bleiben.

BÜCHERFREUND: Gestatten Sie hier eine Frage. Das doppelte Überkleben macht ja den Rücken zweifellos sehr widerstandsfähig, aber wird er dadurch nicht so fest, daß sich das Buch nachher schlecht aufschlägt? Mir ist es schon oft bei handgebundenen Büchern aufgefallen, wie schlecht sie sich aufschlagen. Das darf bei meinen Büchern nicht vorkommen.

MEISTER: Es ist ein oft vorkommender bücherfreund licher Aberglaube, daß ein Buch, wenn man es öffnet, sich so außchlagen muß, daß Papier und Pappen zu beiden Seiten auf den Tisch fallen und liegen bleiben. Wenn Sie wollen, daß das bei Ihren Büchern der Fall ist, dann lehne ich jede Verantwortung für die Haltbarkeit ab. Denn ein solches Buch kann man unmöglich so fest binden, wie es nötig ist. Glatt aufschlagen tun sich nur Bücher von grossem Format und schwerem Papier. Da bewirkt eben die Schwere des Papiers das bessere Außchlagen und Aufliegen. Sie sind doch ein Bücherfreund, und Ihre Bücher sind Ihnen wie Kinder, die Sie lieben. Wollen Sie da die kleine Mühe scheuen, die Ihre Bücherkinder Ihnen machen? Finden Sie nicht, daß es besser ist, ein möglichst fest gebundenes Buch zu haben, selbst wenn Sie die Seiten beim Lesen ein wenig mit der Hand festhalten müssen? Und ebensowenig wie Sie Kindern Gewalt antun werden, dürfen Sie auch nicht beim Offnen Ihrer Bücher diese so auseinanderbiegen, dais der Rücken darunter leidet.

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BÜCHERFREUND: Meister, ich bin besiegt. Ich will mir die Lehre hinters Ohr schreiben. Aber nun muß ich noch etwas fragen. Ein mir bekannter Bibliothekar hat mir erzählt, daß die Franzosen ihre Halbfranzbände viel besser binden als die deutschen Buchbinder.

MEISTER: Muß ich entschieden zurückweisen. Es handelt sich hier wahrscheinlich um den Unterschied zwischen der deutschen und französischen Ansetzmethode. Wir setzen, wie ich Ihnen erzählte, die Pappen durch Aufkleben der Heftbünde an, die Franzosen ziehen die Heftbünde mehrmals durch die Pappen; das nennt man durchzogene Bünde. Hier lesen Sie, was in unserer Buchbinderbibel, nämlich in Paul Kerstens „Exaktem Bucheinband", darüber steht: „Es ist eine weit verbreitete Meinung, daß ein auf französische Manier angesetztes Buch dauerhafter sei als eines auf deutsche Art. Das ist ein Irrtum. Der Buchblock hängt mit den Deckeln vermittels der Bünde zusammen; sind diese einmal durch jahrelangen starken Gebrauch des Buches durchgerissen, so ist naturgemäß die Verbindung zwischen Buchblock und Deckeln gelöst; ganz gleich, ob die Bünde durchgezogen waren oder nicht.

BÜCHERFREUND: Gegen die Meinung eines so hervorragenden Fachmannes kann ich natürlich nichts sagen.

MEISTER: Nun weiter. Jetzt wird der sogenannte Einlagerücken aus Schrenz zugeschnitten, der zwischen Leder und Buchblock kommt. Auf diesen klebt man die erhabenen Pappbünde, falls solche gewünscht werden. Dann muß, was eine sehr wichtige und mühsame Arbeit ist, das Leder an seinen Kanten mit einem besonderen Schärfmesser geschärft werden, damit es sich den Deckeln

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anschmiegt und keine häßliche Erhöhung bildet. Jetzt folgt die sehr schwierige Arbeit des Insledermachens. Da muß, um Ihnen nur einiges von dieser Arbeit zu sagen, das Leder sich fest um die erhabenen Bünde legen, wozu die Hilfe einer besonderen Bündezange nötig ist. Am Kapital muß das Leder sorgfältig bearbeitet werden, damit es gewissermaßen über dem Rücken wie ein Häubchen steht. Wenn einer ein gutes Lederkapital machen kann, so ist das der beste Prüfstein, daß er ein tüchtiger Buchbinder ist. Dann kommen die Lederecken ans Buch, die ebenfalls vorher geschärft worden sind.

BÜCHERFREUND: Lederecken bitte ich ein für allemal von meinen Büchern fernzuhalten. Ich weiß, man bringt sie an den meisten Halbfranzbänden an. Aber ich will auf sie verzichten, weil sie den Deckel förmlich zerreißen. Der Papierbezug bekommt dadurch eine eigentümliche, von sechs Ecken begrenzte Form, die unrhythmisch aussieht. Ein Halbfranzband ohne Lederecken macht einen viel geschlosseneren Eindruck. Und wenn man ein schönes Bezugpapier hat, kommt dieses zu einer ungestörten Geltung.

MEISTER: Wie Sie wollen. Und zur besseren Haltbarkeit der Deck elecken bringe ich Ihnen wie bei dem Papp- band unsichtbare Pergamentecken an. Was wünschen Sie für ein Bezug- und Vorsatzpapier für dieses Buch?

BÜCHERFREUND: Weil es sich hier um ein wissenschaftliches und um ein Nachschlagewerk handelt, wollen wir ein festes einfarbiges Büttenpapier nehmen. Als Vorsatz und Bezug das gleiche. Sie werden schon ein passendes finden. Entweder heller oder dunkler als das Leder; wir wollen ein schönes braunes Ziegenleder wählen.

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Und den Schnitt machen Sie doch bitte in diesem Falle in genau der gleichen Farbe wie das Einbandpapier. Aber da fällt mir noch etwas ein. Mein Exemplar hat schon einen sehr schmalen Papierrand. Und wenn Sie es noch beschneiden, wird dieser noch kleiner und sieht häßlich aus. Aber unbeschnitten möchte ich es doch auch nicht lassen, wie helfen wir uns also aus diesem Dilemma?

MEISTER: Nichts einfacher als das. Ich mache Ihnen einen ebarbierten Schnitt an das Buch.

BÜCHERFREUND: Richtig, den „tranche ebarbee". Daß mir der auch nicht gleich einfiel!

MEISTER: Beim ebarbierten Schnitt werden die Bogen nicht auf einmal auf der Beschneidemaschine, sondern einzeln auf der Pappschere so knapp beschnitten, dass nur das Ungleichmäßige fortgenommen wird. So entsteht ein egaler, aber kein glatter Bogenrand, an dem man natürlich weder Farbschnitt noch Goldschnitt anbringen kann. Ein französischer Buchbinder hat sehr richtig gesagt, daß das Ebarbieren darin besteht, die Ränder der Bogen gleichmäßiger zu gestalten, ohne dabei das Form at des Buches zu beeinträchtigen. Das Ebarbieren macht aber erklärlicherweise ganz besondere Mühe, weil jeder Bogen, bevor er auf die Pappschere kommt, auch noch mit einem scharfen Messer aufgeschnitten wird. Auch muß man genau feststellen, wieviel oder besser wie wenig abzuschneiden ist, damit vom Papierrand so gut wie nichts verloren geht.

BÜCHERFREUND: Ich glaube, ich werde den „tranche ebarbee" für die Mehrzahl meiner wertvolleren Bücher wählen.

MEISTER: Ich möchte Ihnen aber doch raten, bei Büchern,

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wo man vom oberen Papierrand ein wenig mehr als durch das Ebarbieren abschneiden kann, oben einen farbigen oder einen Goldschnitt anbringen zu lassen. Auch bei einfachen Einbänden, die man ringsherum beschneidet, färbt man oft nur den oberen Schnitt. Das hat, wie Sie sich denken können, darin seinen Grund, daß im Bücherschrank der obere Schnitt am leichtesten dem Verstauben ausgesetzt ist. Der Farb- oder Goldschnitt schützt ihn vor dem Schmutzigwerden.

BÜCHERFREUND: Was wäre jetzt noch zu besprechen? Ja, das wollte ich noch sagen. Ich will für meine Halbfranzbände keine reichen Verzierungen haben. Mir genügt der in Gold gedruckte Titel.

MEISTER: Vielleicht wollen Sie noch Goldlinien an die erhabenen Bünde?

BÜCHERFREUND: Am liebsten nicht. Mir gefallen die erhabenen Bünde sehr gut, und ich halte es nicht für nötig, die schöne Wirkung noch zu unterstreichen. Bei manchen Halbfranzbänden, so bei besonders großen und starken, können Sie mir vielleicht an Kopf und Schwanz des Rükkens eine leichte Verzierung anbringen.

MEISTER: Wollen Sie auf das Leder des Deckels, da wo es an das Bezugpapier grenzt, eine Goldlinie haben?

BÜCHERFREUND: Das müßte man von Fall zu Fall entscheiden. Heben sich Papier und Leder gut voneinander ab, dann erscheint mir die Goldlinie nicht nötig. Anderenfalls habe ich nichts dagegen.

MEISTER: Wie soll ich es bei Ihren späteren Halbfranzbänden mit Bezug- und Vorsatzpapier halten? Wollen Sie immer gleiche Papiere haben?

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BÜCHERFREUND: Ich habe mir das zu Hause reiflich überlegt. Den Vorzug möchte ich gleichem Bezug- und Vorsatzpapier beim Halbfranz nicht unbedingt geben. Ich liebe an meinen Büchern die Abwechslung, wenn sie nur nicht kunterbunt wirken. So finde ich als Vorsatz eines Buches mit bunt gemustertem Bezugpapier ein dazu passendes einfarbiges sehr schön. Jetzt glaube ich, wären wir uns im Grunde über den Halbfranzband einig.

Hier habe ich noch ein paar Bände„Eckermanns Gespräche", die ich gern in Halbpergament gebunden haben möchte. Natürlich auch ohne sichtbare Pergamentecken. Als Bezug bitte ich Sie, einmal ein schönes grünes Buchbinderleinen zu nehmen. Ich kann mir vorstellen, daß dies sehr gut wirken wird. Natürlich nehmen Sie weißes Kalbpergament. Übrigens will ich später einmal noch eine andere Ausgabe desselben Werkes in genau den gleichen Einband binden lassen. Muß ich Ihnen zu diesem Zweck die jetzt gebundene Ausgabe dann wieder mitbringen?

MEISTER: Das ist vollständig unnötig. Ich schneide mir für jeden besseren Einband, den ich herstelle, ein Stück Papier genau in der Größe des Deckels zurecht, und darauf vermerke ich alles, was mich instandsetzt, solchen Einband wieder herzustellen.

BÜCHERFREUND: Das ist sehr vernünftig. Also auf Wiedersehen, bis morgen!
(Wie der Bücherfreund hinausgehen will, fängt der Meister zu arbeiten an. Der Bücherfreund kehrt schnell um und sagt):
Was machen Sie denn da um Himmels willen, Meister? Sie bearbeiten ja den Buchschnitt mit einem Instrument,

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als ob ein Tischler ein Brett hobelt! Schadet das denn dem Buch nichts?

MEISTER: Im Gegenteil, es soll ihm nützen. Ich habe hier das Buch fest in die Handpresse gesetzt und bearbeite den Schnitt jetzt mit der Schabeklinge, die ihn so glatt macht, das später ein schöner Goldschnitt entsteht. Vom Buch selbst wird dadurch nur unmerklich etwas fortgeschabt.

BÜCHERFREUND: Ist ein Goldschnitt eine sehr schwierige Sache?

MEISTER: Und ob! Der Schnitt muß sehr sorgfältig vorbereitet werden, muß geschabt und gekleistert sein, damit eine spiegelglatte Schnittfläche entsteht. Besonders schwer ist das beim Hohlschnitt, nämlich beim Vorderschnitt, der durch die Rundung des Buchrückens nach innen gebuchtet ist. Eine Kunst für sich ist das Zurechtmachen des Goldes. Das ist ein ganz, ganz dünnes Blattgold, von dem jedes Blatt einzeln zwischen den Seiten eines Heftchens aus Seidenpapier liegt. Das Blattgold muß sorgfältig herausgenommen und auf ein mit Kreide bestrichenes Lederkissen gelegt werden, damit es sich leicht wieder herunternehmen läßt. Dann wird es mit einem besonderen Goldmesser zurechtgeschnitten und mit einem Auftragapparat auf den Schnitt gelegt, der vorher mit Eiweiß bestrichen ist. Das Eiweiß läßt man dann unter dem Gold ablaufen. Passen Sie auf! So! Ich halte die Handpresse schräg in der Luft, das Eiweiß tropft auf die Erde und nimmt auch nicht ein Stückchen des Blattgoldes mit sich. Nun muß das Buch mehrere Stunden in der Presse stehen, aber nicht zu lange, damit das Eiweiß nicht vollständig ausgetrocknet ist. Dann wird das Gold angerieben. Auf den Schnitt wird ein außen

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Mit Wachs bestrichenes weilses Papier gelegt und darüber der aus Achat bestehende Glättzahn bewegt. Danach wird das Papier weggenommen, und der Glättzahn auf dem Schnitt hin und her geführt, um dessen Glanz zu erzielen.

MEISTER: Nicht unbedingt. Wenn man mit dem Glättzahn nicht direkt auf dem Schnitt arbeitet, sondern bewachstes Papier zwischen legt, bleibt das Gold matt.

BÜCHERFREUND: Ich glaube, ich werde meist matte Goldschnitte vorziehen. Dann werde ich mir sagen können, wenn ich diese Schnitte betrachte: Es ist auch manches Gold, was nicht glänzt.

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FREITAG: GESPRÄCH VOM GANZLEDER BAND.

BÜCHERFREUND: Meister, ich bin glücklich! Sehen Sie, was ich hier habe! Die Erstausgabe von Heines „Buch der Lieder". Die habe ich gestern am Bücherwagen gefunden. Und wissen Sie, was ich dafür bezahlt habe? Zwei Mark fünfzig! Der Mann hatte keine Ahnung vom Wert des Buches. Ich muß offen sagen, ebenso wie der Besitz des Buches, freut mich der lächerliche Preis, den ich dafür bezahlt habe. So sind wir Bücherfreunde nun einmal. Dafür will ich mir aber auch einen Ganzlederband leisten. Aber an diesem Buch muß alles so bleiben, wie es ist. Kein Beschneiden und nicht einmal ebarbieren. Und die Umschläge müssen natürlich beide erhalten bleiben und mitgebunden werden. Ich bitte Sie auch den Papierrücken desUmschlags mitzubinden.

MEISTER: Selbstverständlich! Hier ist ja das Mitbinden der Umschläge auch angebracht, bei dem Seltenheitswert des Buches, ebenso wie bei Büchern mit künstlerischen Umschlägen. Ich finde es aber überflüssig, wenn man bei allen Büchern, ob schöner Umschlag oder nicht, die Broschurumschläge einbindet, wie dies die französischen Bücherfreunde wünschen.

BÜCHERFREUND: Da haben Sie ganz recht. Und weil es sich hier um ein kostbares Buch handelt, wollen wir auch die alte Bindeart mit echten Bünden wählen. Und wir wollen auch bei diesem Einband wie bei allen besseren das Kapital mit der Hand umnähen und keine bunten, schmalen Streifen daran kleben.

MEISTER: Sie meinen handumstochenes Kapital. Nur wenig Buchbinder wissen, wie das entstanden ist. Ich stelle

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es mir so vor: die alten Buchbinder hefteten, indem je ein Heftbindfaden auch an die Enden des Buchrückens gelegt wurde. Durch die Herumführung des Heftzwirns um diesen Bindfaden entstand das handumstochene Kapital.

BÜCHERFREUND: Ich entsinne mich, das auch bei neueren Büchern gesehen zu haben. Auf einer Ausstellung sah ich solche Einbände von Cobden Sanderson, dem bekannten englischen Buchkunstreformator, der aus einem Rechtsanwalt ein Buchbinder wurde. Er hat eine wundervolle Hymne auf das „schöne Buch" geschrieben. Aber wie fertigen Sie heute Ihr handumstochenes Kapital an?

MEISTER: Es gibt da verschiedene Arten. Ich will Ihnen kurz die am meisten angewandte beschreiben. Aus Schrenz oder Pergament schneide ich mir einen Streifen, der etwas weniger breit ist als die Dicke des Deckels. Den verbinde ich mit einem doppelten Schirtingstreifen so, daß die Erhöhung des Kapitalbandes entsteht. Das Ganze klebe ich dann an den Buchrücken an, und wenn es trocken ist, umwickele ich es mit verschiedenfarbigen Seidenfäden. Da kann eine Farbe des Seidenfadens dem Leder, die andere dem Schnitt gleich sein. Das Umwickeln, das mehr ein Umnähen ist, erfordert viel Arbeit und muß wechselweise mit den einzelnen Seidenfäden, von denen jeder doppelt in einer Nähnadel steckt, ausgeführt werden.

BÜCHERFREUND: Ich finde handumstochenes Kapital stets sehr reizvoll.Wird dieser Einband sehr teuer werden?

MEISTER: Sie wissen ja, mein Herr, daß alle Ledersorten heute riesig im Preise gestiegen sind. Und dann dürfen Sie nicht vergessen, daß die Verbindung des Buchblocks mit dem Leder wohl die mühsamste Buchbinderarbeit ist. Wie

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sorgfältig muß das Leder an seinen Kanten geschärft werden ! Wie wichtig ist es, daß es an dem Teil, der den Rücken bildet, vorsichtig dünner geschabt wird! Es ist auch nicht einfach, das Leder mit dem Buch in Verbindung zu bringen, denn es ist dick mit Kleister angeschmiert und so ganz weich geworden. Wir müssen deshalb bei genarbtem Leder sehr darauf achten, daß die Narben bei der Arbeit nicht herausgezogen werden. Und schließlich muß auch das Leder so scharf um die Deckelkanten herumgezogen werden, daß diese glatt und ebenmäßig aussehen. Die Deckelkante, die durch die Breite des Deckels gebildet ist, nennen wir die Stehkante. Was wünschen Sie als Vorsatzpapier für Ihren Heine? Man kann einfarbiges oder buntes nehmen, und bei Ganzlederbänden macht man das Vorsatz oft aus Seide.

BÜCHERFREUND: Keine Seide! Nehmen Sie bitte für diesen Einband ein Büttenpapier in der vergilbten Farbe des Textpapiers. Warum soll dasVorsatzpapier beim Ganzlederband nicht auch einmal schlicht sein? Und Büttenpapier, als das edelste Papier, entspricht auch dem vornehmsten Einbandstoff. Und dann bitte ich noch, mehrere Seiten Vorsatz vor das Buch zu legen, wie ich es bei Lederbänden sah.

MEISTER: Sie meinen das englische Vorsatz, das aus einer Lage von zwei Doppelblättern besteht. Wie soll ich nun den Einband verzieren?

BÜCHERFREUND: Wollen wir nicht morgen darüber noch sprechen? Für heute bitte ich Sie nur noch, mir diese schöne Ausgabe der„Göttlichen Komödie” in weißes Kalbpergament zu binden. Zu einem italienischen Buch sollte man immer Pergament nehmen. Lassen wir das Pergament

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wirken, bringen wir keinerlei Verzierung an, nur auf dem Rücken den Titel in schmaler Antiqua.

MEISTER: Wenn ich mir einen Vorschlag erlauben darf, fertige ich diesen Pergamentband mit umgeschlagenen Kanten an, wie Sie dies gewiss von alten Pergamentbüchern her kennen. Das Pergament ist dabei breiter als der Deckel und legt sich an den Buchschnitt an, diesen so gewissermaßen schützend. Und wenn Sie einen pergamentgerechten Einband haben wollen, hefte ich das Buch anstatt auf Bindfaden auf Pergamentstreifen, und diese ziehe ich durch Pergament, daß sie ein wenig sichtbar werden.

BÜCHERFREUND: Das wird ein schöner Einband! Ich freue mich darauf; wann werden meine Bücher fertig sein?

MEISTER: Vielleicht in vier Wochen.

BÜCHERFREUND: Was? Dauert die Arbeit solange?

MEISTER: Das gewiß nicht. Aber ein Einband will nicht nur gearbeitet sein, der braucht auch seine Zeit, um sozusagen auszureifen. Ich habe Ihnen verschiedentlich erzählt, daß nach einer Reihe von Arbeiten das Buch zum Trocknen längere Zeit in der Handpresse stehen muß. So vergeht ein Tag um den andern. Die Pappdeckel müssen richtig ausgetrocknet sein, und wenn der Einband fertig ist, darf er auch nicht gleich geliefert werden, sondern muß mehrere Tage beschwert ruhen. Sonst werfen sich, wie man sagt, die Deckel. Wenn ich Sie also warten lasse, dann geschieht dies nur, um Ihnen gute Einbände zu liefern.

BÜCHERFREUND: Ich will Sie gewiß nicht drängen. Aber bedenken Sie, mit welcher Spannung ich meinen Einbänden entgegensehe. Mir ist jeder Einband, den ich aus dem Papier wickle,wie die Enthüllung eines Denkmals.

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SONNABEND: GESPRÄCH VON DER HANDVERGOLDUNG.

BÜCHERFREUND: Ich möchte Sie heute zuerst fragen, ob ich mir für die Verzierung meines Ganzlederbandes nicht von einem Künstler einen Entwurf machen lassen soll? Sie dürfen darin nicht, lieber Meister, ein Mißtrauensvotum erblicken, aber ich denke mir, daß Sie der tüchtige Handwerker sind, der auf seinem Gebiet das Beste leisten kann, daß es aber Sache des Künstlers ist, dem Buche die künstlerische Zier zu schaffen.

MEISTER: Ich bin durchaus nicht beleidigt und habe schon oft nach Künstlerentwürfen gearbeitet. Aber Sie werden mir zugeben, daß gerade infolge der Technik unserer vornehmsten Verzierungsweise, der Handvergoldung, ein Buchbinder, der Geschmack und Stilgefühl hat, ohne die Mitarbeit des Künstlers nicht unbedingt etwas Schlechtes hervorbringen muß. Betrachten Sie meine Werkzeuge, die ich zum Handvergolden gebrauche.

Hier die Messingrollen, in die die geraden Linien einmal bis viermal eingeschnitten sind, feine und starke, und bei einigen beide zusammen. Wellenlinien, kleine Kreis- und Punktreihen und Ornamente finden Sie ferner eingraviert auf dem Rande des Messingkreises. Dann haben Sie weiter meinen Bogensatz, dreißig Bogenlinien, die immer größer werden mit einem Radius von zwei Millimetern bis zu zwanzig Zentimetern. In diesem Schrank befinden sich meine Messingstempel vom Punkt bis zum großen Ornamentstempel; in dem daneben die Reihen der Fileten, so ein Mittelding zwischen Rolle und Stempel, auch wieder mit Linien, Punkten und Ornamenten versehen.

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BÜCHERFREUND: Ich sehe wohl, Meister, wie Sie aus allen diesen Druckwerk zeugen immer wieder neue Muster zusammenstellen können. Ich möchte das, ohne damit Ihre Arbeit ihrer werkkünstlerischen Bedeutung entkleiden zu wollen, mit dem Schachspiel vergleichen, dessen Figuren in unerschöpflichen Variationen auf dem Brett bewegt werden können. Nun meine ich, daß man diese mühsame Arbeit des Handvergoldens auch irgendwie am fertigen Werk erkennen müßte, daß man ihr ein Etwas geben sollte, das sie von maschinellerVergoldung unterscheidet, denn Sie werden mir doch zugeben, daß der Maschinen- Golddruck dem mit der Hand ausgeführten täuschend ähnlich sehen kann. Ich bitte Sie also, wie dies die meisten Bücherfreunde lieben, durch eine scheinbareUngenauigkeit bei der Arbeit, also z. B. durch ein kaum merkliches Hinausgehen über die Gehrung bei zusammenstoßenden Linien den handwerklichen Charakter Ihrer Arbeit anzudeuten.

MEISTER: Bei einigen handvergoldeten Büchern wird es sich aber nicht umgehen lassen, auch Maschinendruck anzuwenden. Namentlich wenn Sie ein Wappen auf dem Einband oder den Titel in großen Typen haben wollen.

BÜCHERFREUND: Meister, das darf auf keinen Fall geschehen. Bei einerArbeit, deren ausgesprochener Charakter das Werk der Hände ist, muß die Maschine unter allen Umständen beiseite bleiben. Wenn die Buchbinder so Hand- und Maschinenarbeit verquicken, dann dürfen sie sich nicht wundern, wenn der Wert ihrer Handarbeit nicht anerkannt wird. Die alten Meister druckten doch große Stempel und Wappen auf das Buch, ohne Vergolderpresse.

MEISTER: Ich weiß das wohl. Die Alten müssen bei ihren

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Vergoldungen eine Kraft aufgewendet haben, die uns heute fast übermenschlich vorkommt.

BÜCHERFREUND: Da die heutigen Vergoldewerkzeuge wesentlich kleiner sind, als es die früheren im allgemeinen waren, – was durchaus keinen Verlust in ästhetischer Beziehung zu bedeuten braucht – so sehe ich wirklich nicht ein, weshalb Sie sich dann, wenn einmal der Druck mit größeren Stempeln oder Typen notwendig ist, nicht die größere Mühe machen sollen, die in der Handarbeit liegt. Als ich in England war, habe ich die Werkstätte des Ihnen wohl auch bekannten Joseph Zaehnsdorf besucht, des deutschen Buchbinders, der sich in England einen großen Namen erworben hat: ich sah hier, wie alle Schrift auf den Einbanddecken mit einzelnen Handbuchstaben gedruckt wurde. Der Handvergolder, der dies ausführte, besaß darin eine geradezu unheimliche Geschicklichkeit.

MEISTER: Das „hand-lettering", wie es die Engländer nennen, wird in Deutschland so gut wie gar nicht geübt. Wir besitzen kaum eine Werkstätte, die den dazu nötigen großen Vorrat an Buchstabenstempeln hat. Ich kann mir aber helfen: die Messingtypen, wie ich sie für die Vergolde- presse besitze, setze ich einfach in den Schriftkasten, mit dem wir die Rückentitel drucken. So kann ich auch große Buchstaben auf Ganzlederdecken mit der Hand drucken.

BÜCHERFREUND: Sehen Sie, Meister, es geht also auch ohne die Maschine. Und da Sie mir von Ihren Bogensätzen erzählten, mit denen Sie alle möglichen Verzierungen hervorzaubern können, so können Sie auch Buchstaben, sofern es sich aus dem Charakter des Entwurß ergibt, aus diesen zusammensetzen.

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MEISTER: Natürlich kann man das, und es wird auch sehr häufig gemacht. Jetzt lassen Sie mich Ihnen noch Einiges von der Technik der Handvergoldung erzählen. Da es eigene Lehrbücher über diesen einen Zweig der Buchbinderei gibt, so werden Sie verstehen, wenn ich Ihnen das alles nur in großen Zügen auseinandersetze. Ich erzähle Ihnen den Arbeitsvorgang in seinen wichtigsten Phasen und bitte Sie zu bedenken, daß noch eine Menge kleiner und kleinster Handgriffe nötig sind bei der Arbeit des Handvergolders. Nehmen wir einen Entwurf mit einer Randverzierung von geraden Linien und einem breiten Ornament; dazu brauche ich also die entsprechenden Rollen. Das Mittelstück des Entwurß besteht aus der ornamentalen Zusammensetzung von zwei bis drei einfachen Stempeln, die immer wieder nebeneinander gedruckt werden. Es gibt Handvergoldungen, die nur aus wenigen Kombinationen des Punktstempels bestehen, der viele hundert Mal gedruckt werden muß. Es gibt reiche Hand- vergoldungen, bei denen nicht allzuviel Stempel und Linienrollen verwendet worden sind, und wo es sich um mehrere tausend Drucke handelt.

BÜCHERFREUND: Ich stelle mir das so vor, daß ähnlich wie beim Goldschnitt das Blattgold auf das Leder gelegt, und daß dann der Stempel, die Rolle oder die Filete ins Leder gedrückt wird.

MEISTER: So einfach ist denn das nun doch nicht. Zuerst muß ich den Entwurf herstellen. Ich suche mir die Vergoldewerkzeuge, die für ihn in Betracht kommen, zusammen und drucke sie auf Papier. Ich übertrage sodann den Entwurf auf Pauspapier, das ich auf den Einband lege.

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Und nun drücke ich durch dieses Papier meine Stempel und so weiter auf das Leder. Dann nehme ich die Pause herunter, pinsele alle vorgedruckten Stellen zweimal mit dünnem Eiweiß aus. Ist dies getrocknet, überfahre ich die vorgedruckten Stellen mit Hilfe eines kleinen Wattebausches mit Vaselin oder mit Schweinefett und lege vorsichtig das Blattgold darauf. Jetzt kann das Drucken beginnen, und zwar muß es mit dem erhitzten Stempel geschehen. Ich habe vorher durchWatte das Gold so fest auf das Leder gedrückt, daß es sich in die vorgedruckten Stellen gelegt hat, in die ich nun genau denselben Stempel oder was es sonst ist, hineinbringen muß, und zwar je nach der Stärke des Leders mit einer ziemlichen Kraftanstrengung. Dabei gilt es, die richtige Hitze des Werkzeugs zu haben, nicht zu heiß, denn sonst verbrennt das Leder, nicht zu kalt, dann hält das Gold nicht. Ich muß auch wissen, ob ich es mit einem sehr trocknen oder feuchten Leder zu tun habe, um die rechte Hitze des Stempels zu erzielen. Ferner darf ich, wenn ich mit meinem Stempel, um bei diesem Beispiel zu bleiben, in seinen Vordruck sozusagen hineinziele, mich nicht zu lange dabei aufhalten, denn sonst trocknet das Eiweiß durch die Hitze, und das Gold bleibt nicht auf dem Leder haften. Sicherheit der Hand und des Auges ist hier alles, weil man schnell und doch sorgfältig arbeiten muß. Es kommt natürlich vor, daß nicht jeder einzelne Druck so ausfällt, wie man ihn haben will. Das liegt meist an dem dünnen Gold, das Risse und Löcher hat. Und wenn ich auch bei einem Ganzlederband eine doppelte Schicht Blattgold auflege, so ist es doch fast immer noch nötig, einzelne Teile der Verzierung nachzudrucken.

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Dabei heißt es dann wieder genau in die erste Druckstelle kommen. Bei Rollen, auf die ein unendliches Ornament eingeschnitten ist, ist das natürlich besonders schwierig. Viel Übung erfordert auch der Titeldruck auf dem Rücken. Auch mit Blinddruck, also Druck ohne Verwendung von Gold, kann man manchmal recht hübsche Wirkungen erzielen, besonders bei Bänden aus naturell gelblichem Schweinsleder, auf dem die gedruckte Stelle dunkelbraun erscheint. Auch das ist nicht so einfach, denn um diese braune Farbe zu erzielen, muß auf dem angefeuchteten Leder heiß gedruckt werden, und es gilt hier, durch gleichmäßigen Druck die gleiche Farbe aller gedruckten Stellen zu erzielen, und das feuchte Leder nicht mit dem heißen Werkzeug zu verbrennen.

BÜCHERFREUND: Sind die Arbeiten des Handvergolders damit erschöpft? Meine Frage soll durchaus keine Geringschätzung bedeuten. Ich verstehe wohl, wie geübt ein Handwerker sein muß, um diese schwierige Arbeit auszuführen, die sicher eiserne Ruhe und angespannteste Aufmerksamkeit erfordert.

MEISTER: Na, und den ganzen Tag neben der offnen Gasflamme stehen und sich immer wieder über den heißen Stempel beugen, das ist auch keine Kleinigkeit!

BÜCHERFREUND: Ich wollte Sie durch meine Frage vorhin nur zum Sprechen bringen über die anderen Verzierungstechniken, von denen ich namentlich Lederauflage und Lederintarsia liebe.

MEISTER: Die Handvergoldung ist das Grundlegende. Als im 15. Jahrhundert nach dem Vorbilde des orientalischen Einbandes in Italien der goldgeprägte Einband aufkam,

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da erst begann mit der eigentlichen buchbinderischen Verzierungstechnik in Wirklichkeit die Einbandkunst. Im frühen und frühesten Mittelalter waren es die Gold- und Silberschmiede und die Elfenbeinschnitzer, die den Schmuck der Bücher lieferten. Voraufgegangen allerdings war der mittelalterliche Ledereinband mit Blindpressung, und der Lederschnitteinband. Aber mit der Goldprägung wurde auch die Verzierungstechnik nicht nur äußerlich, sondern innerlich reicher, und die Renaissance schenkte ihre künstlerische Sprache auch dem Bucheinband. Schon der orientalische Einband kannte neben dem Gold die Verzierung mit farbigen Lederteilen, die meist im Grundleder eingelegt waren. Auch wir Buchbinder von heute – und damit komme ich zur Antwort auf Ihre Frage – kennen noch die Lederintarsia, und daneben wenden wir auch die Lederauflagearbeit an. Bei beiden Techniken wird das ein- oder aufzulegende Leder vorher so dünn ausgeschärft wie Seidenpapier. Bei Lederauflage umrahmt man dann meistens die farbigen Teilchen mit Gold- oder Blinddruck.

BÜCHERFREUND: Als ich heute zu Ihnen kam, Meister, fragte ich Sie, ob ich mir den Entwurf für die Verzierung meines Ganzlederbandes nicht lieber bei einem Künstler anfertigen lassen soll. Diese Frage ist unter uns erledigt, denken Sie an den Vergleich mit dem Schachspiel. Ich muß mir aber vorbehalten – und Sie werden gewiß nichts dagegen haben – für Einbände, denen ich einen ganz bestimmten Charakter geben will, und für die mir dann das vorhandene Stempelmaterial nicht genügt, einen Künstler zu Rate zu ziehen.

MEISTER: Wir Buchbinder sind durchaus nicht Gegner

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der künstlerischen Mitarbeit. Aber ich darf Sie noch darauf aufmerksam machen, daß die Buchbinder aller Zeiten es verstanden haben, selbst ihre Stempel zu entwerfen. Da sind die berühmten Fanfarenstempel, die wir dem französischen Meister Nicolas Eve verdanken, der im 16. Jahrhundert lebte. Im 18. Jahrhundert brachten französische Buchbinder in Anlehnung an die Spitzenmode ihrer Zeit das Spitzenmuster „fers ? la dentelle" auf. Le Gascon, der im 17. Jahrhundert lebte, erfand die Filigranverzierung für den Einband. Und auch heute entwerfen unsere Führenden Handvergolder Stempel für den Bucheinband. Wir Buchbinder wissen aber auch, daß wir sehr vieles der Anregung der berühmten Bücherfreunde verdanken. Sie kennen gewiß den Namen des französischen Diplomaten aus dem 16. Jahrhundert, des Jean Grolier, der wohl der größte Bücherfreund aller Zeiten genannt werden kann, und der sich von seinen italienischen Buchbindern eine eigene Verzierungsweise schaffen ließ. Auch die Bücher eines Thomas Majoli, des Ungarnkönigs Mathias Corvinus, der französischen Könige des 16., 17. und 18. Jahrhunderts, ihrer Frauen und ihrer berühmten Mätressen erkennen Einbandkenner auf den ersten Blick. Einen großen deutschen Bücherfreund will ich nennen – Deutschland ist früher an Bücherfreunden sehr arm gewesen, heute ist das, Gott sei Dank, besser – den Kurfürsten August von Sachsen, der im 16. Jahrhundert lebte, und für den der berühmteste alte deutsche Buchbinder, Jakob Krausse, herrliche Einbände schuf. Nach diesem Meister nennt sich auch der Jakob Krausse-Bund, in dem die bekanntesten deutschen Einbandkünstler vereinigt sind. Und ich könnte

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Ihnen noch weiter Namen berühmter Buchbinder Frankreichs, Englands und Deutschlands aufzählen.

BÜCHERFREUND: Meister, ich danke Ihnen. Und ich will als rechter Bücherfreund die Geschichte der Einbandkunst studieren. Aber ein wenig beschämt haben Sie mich doch. Denn mit Ihren Groliers und Majolis werde ich nur schwer mitkommen. Aber denken Sie nicht auch, daß es heute nicht nur auf die großen Bücherliebhaber ankommt, sondern daß es für die Buchkunst und vor allem für Sie als Buchbinder ebenso wichtig ist, wenn es daneben recht viele „kleine"Bücherfreunde gibt, die auch für den einfachsten Einband Liebe und Verständnis besitzen?

MEISTER: Ich pflichte Ihnen voll und ganz bei. Denn ich finde, der Buchbinder braucht Kunden, die seine Arbeit zu schätzen wissen, die auch selbst darüber nachdenken. Ich habe doch so manches in diesen Tagen von Ihnen gelernt.

BÜCHERFREUND: Meister, wir haben einer vom andern gelernt und uns gegenseitig Anregungen gegeben. Ich habe mir alles, was Sie mir in dieser Woche erzählt haben, genau zu Hause aufgeschrieben und habe mir vorgenommen, zu Nutz und Frommen der Bücherfreunde und ihrer Buchbinder es zu einem Büchlein zusammenzustellen. Und wissen Sie, wie ich unser Buch – denn aus unserer gemeinsamen Arbeit ist es entstanden – nennen will?

„DER PRESSBENGEL."

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Dieses Buch wurde in der Didot-Antiqua von der Offizin W. Drugulin in Leipzig, in einer Auflage von eintausend Exemplaren gedruckt. Außerdem wurden dreißig Exemplare auf Zandersbütten abgezogen und handschriftlich numeriert.

EUPHORION VERLAG
BERLIN MCMXXII


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